VDS Rhein-Neckar

"Weder Deutschtümler noch Don Quijotes"

VDS-Regionalgruppe Rhein-Neckar traf sich im Vorfeld der Bundesdelegiertenkonferenz

Die Regionalgruppe 69 (Rhein-Neckar) des "Vereins Deutsche Sprache" (VDS) zählt derzeit 122 Mitglieder. Die meisten davon wohnen in Heidelberg (35) und Weinheim (21). Relativ gut vertreten sind auch Wiesloch (10) und Neckargemünd (7). In den anderen Gemeinden des Postleitzahlengebiets 69, das sich ungefähr zwischen Hemsbach, Hockenheim und Eberbach erstreckt, gibt es jeweils bis zu fünf Mitglieder. Fast zwanzig Prozent der Mitglieder sind promovierte Akademiker, zum Teil Professoren, was bei der akademischen Prägung des Heidelberger Raums nicht weiter verwundert.

Mit diesen und anderen Angaben zur Mitgliederstruktur eröffnete der Regionalvorsitzende Udo Leuschner am 26. April 2006 ein Treffen der Regionalgruppe in Heidelberg, das kurz vor der Bundesdelegiertenkonferenz des Gesamtverbandes am 6. Mai in Wiesbaden stattfand. Die genannte Zahl von 122 Mitgliedern bedeute allerdings noch nicht, daß man für Treffen wie dieses (das im Nebenzimmer eines Restaurants stattfand) unbedingt einen größeren Saal brauche. Eine im Januar durchgeführte Mitgliederbefragung habe ergeben, daß nur eine Minderheit bereit oder in der Lage sei, regelmäßig zu Treffen zu kommen. Neben zwingenden Begründungen wie beruflicher Überlastung oder eingeschränkter Mobilität infolge hohen Alters sei dafür wohl auch ein ausgeprägter Individualismus verantwortlich. Vielen Mitgliedern genüge es, für ihren Jahresbeitrag ab 20 Euro die Gewißheit zu haben, damit einen Verein zu unterstützen, der recht erfolgreich den Kampf gegen die Verhunzung der deutschen Sprache mit Anglizismen aufgenommen habe, zumal sie auch noch regelmäßig die "Sprach-Nachrichten" als Vereinspublikation erhalten und auf diesem Wege über die Aktivitäten des Bundesverbands informiert werden.

VDS sieht die deutsche Sprache nicht aus der Buchhalter-Perspektive

Der VDS lasse sich bei seinen Aktivitäten von einer grundsätzlich anderen Einstellung gegenüber der deutschen Sprache leiten als etwa das "Institut für deutsche Sprache" in Mannheim oder die "Gesellschaft für deutsche Sprache" in Wiesbaden. Letztere sähen die Sprache eher aus der "Perspektive von Buchhaltern und Erbsenzählern". Dazu gehöre, daß man schon mal die Beliebtheit von Vornamen auszähle oder ziemlich willkürlich ein "Wort des Jahres" kreiere. Die Überflutung der deutschen Sprache mit Anglizismen werde aber nur beobachtend-registrierend zur Kenntnis genommen oder sogar verharmlost. Die Kehrseite dieser angeblich strikt wissenschaftlichen Haltung sei der "bürokratische Amoklauf", wie er sich in der sogenannten Rechtschreibreform offenbart habe. Es trage geradezu possenhafte Züge, wie hier bürokratische Gremien und betriebsblinde Sprachwissenschaftler - von der Kultusministerkonferenz bis zum "Institut für deutsche Sprache" - eine Sache losgetreten hätten, deren Konsequenzen sie überhaupt nicht überblickt hätten. Am Ende habe man die "Reform" etappenweise zurücknehmen müssen. Geblieben sei aber eine beispiellose Konfusion hinsichtlich der deutschen Rechtschreibung.

Das Wort "Bahnsteig" klang zunächst auch fremdartig

Die "normative Kraft des Faktischen" beim Sprachgebrauch gehe in der heutigen Gesellschaft vor allem von den Massenmedien aus. Wer hundertmal das Wort Computer höre, werde kaum noch vom "Rechner" sprechen. Diese normative Kraft des Faktischen werde aber auch in umgekehrter Richtung wirksam, wenn nur genügend Druck dafür gemacht werde. So hätten Bahn und Post vor über hundert Jahren in mustergültiger Weise deutsche Begriffe für Fremdwörter erfunden und durchgesetzt, wie Abteil für "Coupé" oder "Fahrkarte" für "Billet". Dahinter habe nichts weiter gestanden als die sprachliche Verfügungsgewalt über einen bestimmten Bereich, "so wie uns heute die Massenmedien am laufenden Band irgendwelche denglischen Formulierungen einbleuen". Und sicher sei den Zeitgenossen damals ein Wort wie "Bahnsteig" für "Perron" zunächst mal so fremdartig vorgekommen, wie wenn heute der VDS vorschlage, anstelle von "Countdown" als deutschen Begriff "Startuhr" einzuführen.

Heute gehörten Bahn und Post bzw. deren Nachfolger mit so grauenhaften Wortschöpfungen wie dem "Service point" leider zu den übelsten Verhunzern der deutschen Sprache. Geblieben sei aber die Notwendigkeit, die Entwicklung der deutschen Sprache nicht nur kontemplativ zu verfolgen, sondern aktiv ihrer Verluderung entgegenzutreten. "Wir sind weder Deutschtümler noch Don Quijotes, wenn wir diesen Kampf aufnehmen und mit teilweise harten Bandagen führen", betonte der Regionalvorsitzende am Ende seines Referats. "Im Gegenteil: Wir sind Realisten, weil wir wissen, daß sich ohne Druck nichts bewegt. Und ich glaube, daß sich der VDS da insgesamt auf einem guten Weg befindet."

Der beste Schutz vor "Denglisch" ist die Vertrautheit mit Englisch

In der anschließenden Aussprache bekannten etliche VDS-Mitglieder, daß sie als Wissenschaftler, Techniker oder in sonstigen beruflichen Funktionen nicht umhin können, sich der englischen Sprache zu bedienen. Überhaupt dürften die meisten VDS-Mitglieder über erheblich bessere Fremdsprachenkenntnisse verfügen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Zugleich ist es wohl gerade diese Vertrautheit mit anderen Sprachen, die sie die Verdrängung deutscher Begriffe wie "Fahrrad" durch "Bike" als höchst albern und für das deutsche Sprachgefüge bedrohlich empfinden läßt. Befund am Rande: Während es im 19. Jahrhundert vor allem die Oberschicht als schick empfand, mit - damals französischen - Fremdwörtern um sich zu werfen, ist es heute vor allem die Unterschicht, die ohne Not deutsche Wörter durch englische ersetzt, weil sie in ihren Ohren irgendwie modischer, schicker, imposanter klingen.

Sprache ist auch ein Produktivitätsfaktor

Auf Zustimmung stieß der Vorschlag, demnächst zwei Vertreter der BASF einzuladen. Der in unserem Raum ansässige Chemiekonzern hat nämlich unternehmensinterne Richtlinien für den Umgang mit der deutschen Sprache erlassen, die recht interessant klingen. Anscheinend beginnt man in der Wirtschaft zu erkennen, daß Sprache auch ein Produktivitätsfaktor ist und Kauderwelsch auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Verständigung stört. Die Kommunikationsabteilung des Unternehmens hat bereits zugesagt.

Zwei Auszüge aus dem Referat des Regionalvorsitzenden können Sie hier anklicken:

1. "Weshalb bekomme ich einen Teil meiner Zeitung auf englisch?"
2. "Die normative Kraft des Faktischen hat immer zwei Seiten"