Das "Deutschmobil" ist eine feine SacheMitgliederversammlung der Regionalgruppe 69 in der VHS HeidelbergVor langer, langer Zeit - nämlich unter Karl dem Großen bzw. "Charlemagne" - waren Deutsche und Franzosen in einem Reich vereint. Dann wurden sie zu Nachbarn, die sich zeitweilig sogar heftig bekriegten und einander als "Erbfeinde" betrachteten. Das ist zum Glück vorbei. Heute bilden Deutsche und Franzosen den Kern der Europäischen Gemeinschaft und sind jeweils der wichtigste Handelspartner des anderen. Umso seltsamer mutet es an, daß es in beiden Ländern nur relativ wenige Menschen gibt, welche die Sprache ihres wichtigsten Nachbarn kennen oder gar beherrschen. Damit das nicht so bleibt, wurde im Jahr 2001 die deutsch-französische Initiative "Deutschmobil" gestartet, die an französischen Schulen für den Deutschunterricht wirbt. Schon 2003 wurde sie vom Verein Deutsche Sprache (VDS) mit dem "Initiativpreis Deutsche Sprache" ausgezeichnet. Auf der jüngsten Mitgliederversammlung der VDS-Regionalgruppe 69, die am 28. Mai 2008 in der Volkshochschule Heidelberg tagte, bot sich nun die Gelegenheit, aus kompetenter Quelle näheres über diese Initiative zu erfahren.
Prof. Wolfram Hahn, der das "Deutschmobil" in Wort und Bild vorstellte, ist Rektor der Fachhochschule Heidelberg und ehrenamtlich im Vorstand des Heidelberg-Hauses in Montpellier tätig, das im Auftrag der Föderation der Deutsch-Französischen Häuser in Frankreich das Projekt koordiniert. Er hob hervor, daß das "Deutschmobil" nicht staatlicher Initiative entsprang, sondern von Lehrern, Schülern, Wirtschaftskreisen und zivilgesellschaftlichen Initiativen angeregt wurde, die mit Besorgnis den Rückgang des Deutschunterrichts an französischen Schulen verfolgten. Wichtigste Förderer waren und sind die Robert-Bosch-Stiftung und die Daimler AG. Die Grundidee besteht darin, junge deutsche "Lektoren" mit Kleinbussen durch Frankreich fahren zu lassen, um dort an Grundschulen, Collèges (Mittelstufe) oder auch an Gymnasien für die deutsche Sprache zu werben. Idealerweise handelt es sich bei diesen Lektoren um angehende Lehrer, die Romanistik oder Germanistik studiert haben. - Wobei der Begriff "Lektor" insofern ein bißchen in die Irre führt, als es sich fast durchweg um Frauen bzw. Lektorinnen handelt. Man mußte schon genau hinschauen, um auf dem Bild, das die Gruppe der 17 Lektoren vor der Fachhochschule Heidelberg mit ihren Minibussen zeigte, den einzigen Mann ausfindig zu machen...
Seit dem Start der Initiative haben diese Lektorinnen und Lektoren, die ihren beruflichen Werdegang um ein Jahr Erfahrung mit dem "Deutschmobil" bereichern, mehr als 4500 Schulen besucht, mehr als 700 Elternabend organisiert, mit mehr als 10.000 Klassen gearbeitet und Kontakt zu mehr als 280.000 Schülern aufgenommen. Sie haben dabei nicht nur für die deutsche Sprache geworben, sondern auch die oft einseitigen Deutschlandbilder der Schüler korrigiert, denen nun beim Stichwort "boche" eher ein junges, freundliches und attraktives Wesen einfällt als die alten Vorurteile... Es gelang so tatsächlich, den Rückgang des Deutschunterrichts in Frankreich nicht nur aufzuhalten, sondern sogar eine positive Wende herbeizuführen: An den Schulen, die vom "Deutschmobil" besucht wurden, wuchs die Zahl der Schüler mit Deutsch als erster Fremdsprache um 25 Prozent. Die Zahl der Schüler mit Deutsch als zweiter Fremdsprache nahm sogar um 50 Prozent zu. Auf dem deutsch-französischen Gipfel, der im Juli 2002 in Schwerin stattfand, erhielt das "Deutschmobil" auch den offiziellen Segen der beiden Regierungen. Zugleich wurde die spiegelbildliche Initiative "France Mobil" vorgestellt, die mit Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung und der Renault Nissan Deutschland AG durch Deutschland kurvt, um hier an den Schulen für den Französischunterricht zu werben.
Der VDS-Regionalvorsitzende Udo Leuschner dankte Prof. Hahn für seinen instruktiven Vortrag und äußerte die Hoffnung, daß dem "France Mobil" derselbe Erfolg in Deutschland beschieden sein werde wie dem "Deutschmobil" in Frankreich. Denn für Deutsche sei und bleibe nun mal Französisch der wichtigste Zugang zu den romanischen Sprachen. Da ein guter Teil des englischen Wortschatzes aus französischen Wörtern besteht, helfe es sogar beim besseren Verständnis der englischen Sprache und der Vermeidung von "Denglisch". Als kleines Präsent erhielt der Gastreferent des Abends das vom VDS herausgegebene "Lexikon der überflüssigen Anglizismen". Anschließend gab der Regionalvorsitzende einen Überblick über den Stand der Vereinsarbeit. Er verwies auf die zahlreichen Erfolgsmeldungen, die auf der Internet-Seite des Bundesverbands unter "Lichtblicke" zu finden sind. Ganz allgemein lasse sich sagen, daß die Arbeit des VDS zunehmend Anerkennung und Unterstützung finde. Es komme nur noch selten vor, daß man den VDS in die Ecke einer rückwärtsgewandten Deutschtümelei zu stellen versuche. Es werde auch zunehmend erkannt, daß die deutsche Sprache ein geistiger und materieller Produktivfaktor ist, dessen mutwillige Beschädigung durch eine Flut von Anglizismen oder gar durch die Propagierung von Englisch als "Arbeitssprache" (siehe Oettinger) fatale Folgen haben kann. Zugleich habe aber die Flut der Anglizismen nicht ab-, sondern eher noch zugenommen. Leuschner illustrierte dies mit ein paar Kostproben aus den Anzeigen von Aldi, Lidl und Metro, in denen es von "Wellness", "Trekking" usw. nur so wimmelte. Dieses tägliche Bombardement gehe nicht spurlos an den Konsumenten und am allgemeinen Sprachgebrauch vorüber. Neben den Werbeagenturen gehörten Medien und Großunternehmen zu den übelsten Verhunzern der deutschen Sprache. Besonders schockiert habe ihn, daß neulich sogar die "Frankfurter Allgemeine" einem Internet-Forum zur Literatur die Bezeichnung "Reading Room" verlieh. Erfreulicherweise hätten daraufhin soviele Leser protestiert, daß die Redaktion den Rückzug antreten und den "Reading Room" durch "Lesesaal" ersetzen mußte. Die Beitritte zum VDS nähmen auch auf regionaler Ebene zu, was man als Indiz für das wachsende Unbehagen an der Verhunzung der deutschen Sprache durch angloamerikanisches Imponiergefasel werten dürfe. Inzwischen habe die Regionalgruppe 69 insgesamt 148 Mitglieder gegenüber 120 vor zwei Jahren. Allerdings seien die meisten VDS-Mitglieder weiterhin ausgesprochene Individualisten. Sie würden zwar gern den VDS unterstützen und fühlten sich im allgemeinen auch gut durch ihn vertreten. Es sei aber nur eine Minderheit, die sich darüber hinaus auf regionaler Ebene regelmäßig treffen oder aktiv an der Verbandsarbeit beteiligen möchte. Das habe zum Teil auch einfach damit zu tun, daß die Miglieder aus ganz unterschiedlichen Orten kommen und entsprechend lange Wege in Kauf zu nehmen hätten (siehe Schaubild). Zum Schluß vollzogen die in der VHS versammelten Mitglieder die nach drei Jahren fällige Neuwahl des Regionalvorsitzenden und seines Stellvertreters. Der bisherige Regionalvorsitzende Udo Leuschner gab bekannt, daß er nicht mehr für dieses Amt kandidieren wolle, da ihn andere Aufgaben und Projekte zu sehr in Anspruch nähmen. Er sei aber bereit, als Stellvertreter zu amtieren, auch um die Kontinuität der Verbandsarbeit sicherzustellen. Zugleich schlug er Peter F. Wagner aus Bammental als Nachfolger vor. Die Anwesenden billigten beide Wahlvorschläge einmütig. |