Edelfeder ohne SachkenntnisDie "SZ" verwechselt den "Verein Deutsche Sprache" mit der "Gesellschaft für deutsche Sprache"Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) ist die auflagenstärkste Qualitätszeitung in Deutschland. Sie hält sich einiges darauf zugute, auch sprachlich an der Spitze zu marschieren und noch bessere "Edelfedern" zu beschäftigen als etwa die "Frankfurter Allgemeine" (FAZ). Es versteht sich, daß man bei einem solchen Blatt sprachlich sensibel ist und auf Distanz zu den Auswüchsen des Zeitgeistes hält. Allerdings nur solange, bis der Auswuchs sich ausgewachsen und eine einigermaßen respektable Größe erreicht hat. Dann entbietet auch die SZ ihm ihre Reverenz. Zu besichtigen war dies etwa im Streit um die neue Rechtschreibung, die von der SZ widerstandslos akzeptiert wurde, während die FAZ die Ungereimtheiten des neuen Regelwerks brandmarkte und bald zur alten Rechtschreibung zurückkehrte. Als dann auch noch der Springer-Konzern und der "Spiegel" der FAZ nachzueifern versprachen, wollte die SZ ebenfalls nicht länger abseits stehen. Man fürchtete wohl um den Auflagenvorsprung vor der FAZ. Aber die Kultusbürokratie hielt dem Druck der Verlage wider Erwarten stand. Und da schwenkte auch die SZ sofort wieder um und verschob die Wiedereinführung der alten Rechtschreibung auf den Sankt Nimmerleinstag... Ähnlich verhält sich die SZ gegenüber der Verhunzung der deutschen Sprache durch Denglisch. Es liegt ihr natürlich fern, diese Verhunzung gutzuheißen oder sich aktiv daran zu beteiligen. Aber genauso fern liegt es ihr, diese Verhunzung zu brandmarken und den Kampf gegen Denglisch zu unterstützen. Für die freischwebenden Edelfedern von der SZ kommt es anscheinend vor allem darauf an, sich selbst als Sprachkünstler in Szene zu setzen. Das gilt vor allem für jenen Sprachkünstler, der am 12. November
2004 das "Streiflicht" verfaßte. So heißt die tägliche
Glosse auf der Titelseite der SZ, die als journalistisches Aushängeschild
des Blattes gilt. Anlaß war, daß die Werbebranche neuerdings
wieder auf Deutsch umsattelt, nachdem wissenschaftliche Untersuchungen
ergeben haben, daß denglische Slogans wirkungslos verpuffen oder
sogar mißverstanden werden - ein Umdenken, das nicht zuletzt dem
Wirken des "Vereins Deutsche Sprache" zuzuschreiben ist. Der diensthabende
Sprachkünstler versäumte deshalb nicht, en passant auch der Protestbewegung
gegen Denglisch eins überzubraten:
Das war genauso polemisch wie haarscharf daneben! - Die Edelfeder verwechselte hier offensichtlich den "Verein Deutsche Sprache" (VDS) mit seiner "Quengelei" wegen der Anglizismen-Flut mit der "Gesellschaft für deutsche Sprache" (GfdS). Daß jene das "Unwort des Jahres" wähle, stimmt zwar. Daß sie den deutschen Sprachschatz allenfalls verwaltet, stimmt ebenfalls. Aber mit der Ansicht, die "Gesellschaft für deutsche Sprache" sei die Speerspitze des Kampfs gegen Denglisch, verriet der Schreiber eine erstaunliche Unkenntnis, die eine eigene Glosse wert wäre. Wer die "Gesellschaft für deutsche Sprache" und den "Verein Deutsche Sprache" kennt, wird sie schwerlich miteinander verwechseln können: Die eine ist in Wiesbaden ansässig, der andere in Dortmund. Die eine wird aus Steuergeldern alimentiert und kann sich deshalb einen stattlichen Mitarbeiterstab halten, der andere finanziert sich nur aus Mitgliedsbeiträgen und muß mit Halbtagskräften in der Zentrale auskommen. Aber das gehört zu den kleineren Unterschieden. Wichtiger ist, daß die "Gesellschaft für deutsche Sprache" zwar schon mal die Beliebtheit von Vornamen auszählt oder publikumswirksam ein ziemlich willkürliches "Wort des Jahres" kreiert, im übrigen aber zur deutschen Sprache ein so unterkühltes Verhältnis hat wie ein Buchhalter zu seinen Rechnungsbelegen. Die Verhunzung der deutschen Sprache mit Anglizismen war der Gesellschaft bisher jedenfalls ziemlich gleichgültig. Das ist ja auch einer der Gründe, weshalb es seit 1999 den "Verein Deutsche Sprache" gibt. Den Edelfedern von der "Süddeutschen" würde etwas mehr Sachkenntnis
nicht schaden, bevor sie sich künftig wieder diesem Thema widmen.
Und was ihre laue Haltung gegenüber Anglizismen betrifft, möchte
man ihnen eine alte Sponti-Weisheit ans Herz legen: "Wer nach allen Seiten
offen ist, kann nicht ganz dicht sein!"
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