"Wer nichts zu sagen hat, sagt es auf denglisch"Pfälzer Regionalgruppen des "Vereins Deutsche Sprache" tagten in MannheimDie Überflutung der deutschen Sprache mit Anglizismen gefährdet den "Tiefencode" der muttersprachlichen Verständigungsmöglichkeit und damit auch die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Diese Ansicht vertrat der Vorsitzende des "Vereins Deutsche Sprache" (VDS), der Dortmunder Statistiker Prof. Dr. Walter Krämer, auf einer Versammlung der drei pfälzischen Regionalgruppen seiner Organisation am 6. Oktober 2004 in der Universität Mannheim. Mit großen Nachteilen verbunden und deshalb in den meisten Fällen abzulehnen sei auch die zunehmende Verwendung von Englisch in Wissenschaft und Wirtschaft. Die mehr oder weniger unbeholfene Verständigung in einer Fremdsprache gefährde die Kreatitivät und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in diesen Bereichen. Zugespitzt könne man sogar sagen: "Verlierer sprechen englisch!" Krämer illustrierte diese These unter anderem mit dem Niedergang des Börsenwerts von Daimler-Chrysler, wo Englisch zur Konzernsprache erhoben worden sei, sowie mit dem Höhenflug der Aktienkurse von Porsche, wo bewußt an Deutsch für die technisch-wirtschaftliche Kommunikation festgehalten werde. Einen besonderen Heiterkeitserfolg erzielte er mit einer langen Liste deutscher Unternehmen, die sich englische Firmennamen zugelegt hatten und inzwischen alle von der Bildfläche verschwunden sind. "Wer nichts zu sagen hat, sagt es auf denglisch" lautete eine weitere pointierte Formulierung des VDS-Vorsitzenden. Die Überschwemmung der deutschen Sprache mit Anglizismen bzw. "Denglisch" sei wohl mit dem Bedürfnis zu erklären, banalen Dingen und Sachverhalten eine vermeintlich besondere Aura zu verleihen. Erst die Rückübersetzung ins Deutsche lasse beispielsweise erkennen, daß ein "Facility Manager" nichts anderes als ein Hausmeister, der "Funeral Master" ein Leichenbestatter und das "Business Center" ein Gewerbegebiet ist. Hinter diesem sprachlichen Imponiergehabe verberge sich ein schwach entwickeltes Selbstbewußtsein. Keine andere europäische Nation sei derart anfällig für Anglizismen. Als Beleg zog Krämer den "Servilitätsindex" heran, mit dem der Journalist Dieter E. Zimmer ermittelte, in welchem Ausmaß in europäischen Ländern bestimmte englische Wörter übernommen wurden. Die geringste Servilität zeigen demnach die Finnen, die nur sieben Prozent der englischen Begriffe nicht durch Wörter der eigenen Sprache ersetzt haben. Es folgen Frankreich (14 %), Polen (18 %), Spanien (20 %), Schweden (21 %) und die Niederlande (22 %). Die mit Abstand größte Servilität gegenüber angloamerikanischen Wörtern gibt es in Deutschland (43 %). Inzwischen lasse sich aber - auch dank der Arbeit des VDS - eine Wende zum Besseren beobachten. Krämer untermauerte diese Feststellung mit einer Liste bekannter Unternehmen, die in ihrer inländischen Werbung anstelle von "Denglisch" wieder pures Deutsch verwenden. Offenbar habe sich in Firmenzentralen und Werbeagenturen herumgesprochen, daß ein Großteil des Publikums sprachliche Zumutungen wie "One Group - Multi Utilities" (RWE), "Come in and find out" (Douglas), "Driven by instinct" (Audi), "Be inspired" (Siemens) oder "There's no better way to fly" (Lufthansa) überhaupt nicht versteht und das Geld für die Werbung somit schlicht vergeudet wurde. Für "fruchtbares Nebeneinander" von Deutsch und Englisch in der WissenschaftsspracheIn einem weiteren Referat vor der Regionalversammlung beleuchtete Prof. Dr. Heiner Müller-Merbach die Problematik des Englischen als Wissenschaftssprache. Müller-Merbach ist Professor für Betriebsinformatik und Operations Research an der Technischen Universität Kaiserslautern. Er verdeutlichte, daß die Betriebswirtschaftslehre (BWL), wie sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz gelehrt wird, noch immer über ein elaboriertes deutschsprachiges Begriffssystem verfügt, das auch in der Fachdiskussion dominiert. Im angloamerikanischen Raum gebe es indessen kein Gegenstück zur Allgemeinen BWL, sondern nur verschiedene Formen von "Business Administration" mit Spezialfächern wie Accounting, Finance, Marketing, Logistics usw. In diesen Spezialfächern finde die Fachdiskussion heute überwiegend in englischer Sprache statt, zumal Schlüsselbegriffe wie Operations Research oder Management Science ohnehin englisch seien. Müller-Merbach plädierte für ein "fruchtbares Nebeneinander" beider Möglichkeiten: Während der Gebrauch von Englisch die internationale Kommunikation erleichtere, sei Deutsch als Wissenschaftssprache der inländischen Kreativität förderlich. Unter Umständen könne die Sprachbarriere gegenüber dem Ausland sogar einen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Abzulehnen sei in jedem Fall eine "gedankenlose Vermischung von Deutsch und Englisch". Zum Schluß der Versammlung im Großen Hörsaal der VWL-Fakultät
der Universität Mannheim wählten die Anwesenden die Vorstände
für die drei VDS-Regionen zwischen Heidelberg und Kaiserslautern,
die den Postleitregionen 69, 68 und 67 entsprechen: Neuer Vorsitzender
der Region Rhein-Neckar (69) wurde Udo Leuschner (Heidelberg). Sein Stellvertreter
ist Walter Gerhard (Hemsbach). In der Region Mannheim (68) übernahmen
Martin Sester und Peter Römer diese Funktionen, in der Region Ludwigshafen/Kaiserslautern
Michael Hantz und Werner Gierlich.
|